Breite Allianz gegen Lebensmittelverschwendung

Studie zeigt: Nur das Mindesthaltbarkeitsdatum ist nicht Schuld an der Verschwendung von Lebensmitteln – Verluste entstehen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette – Runder Tisch „Neue Wertschätzung für Lebensmittel“ verabredet Maßnahmen für NRW

NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel hat eine breite Allianz gegen die Verschwendung von Lebensmitteln ins Leben gerufen. „Wir müssen das massenhafte Wegwerfen von Lebensmittel beenden. Das ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft – aus moralischen, ethischen und ökonomischen Gründen. In NRW haben sich jetzt alle Beteiligten zu einer gemeinsamen Anstrengung verpflichtet“, sagte Remmel. Heute (21. März) hat zum dritten Mal der Runde Tisch „Neue Wertschätzung für Lebensmittel“ NRW getagt. Vertreterinnen und Vertreter der Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft, des Einzelhandels und des Handwerks, der Gastronomie, von Verbraucher- und Wohlfahrtsverbänden haben über konkrete Maßnahmen für NRW beraten.

Remmel präsentierte Ergebnisse von Befragungen der Fachhochschule Münster und der Verbraucherzentrale NRW. „Die Studien zeigen: Nur bei den Verbraucherinnen und Verbraucher und beim Mindesthaltbarkeitsdatum anzusetzen, reicht nicht. Wir müssen die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen, um Verschwendung zu reduzieren. Denn von der Landwirtschaft bis zum Handel möchte jeder Beteiligte ökonomische Verluste minimieren. Dadurch werden aber nicht weniger Lebensmittel vernichtet, sondern die Verluste häufig nur innerhalb der Kette verschoben“, sagte Remmel. „Deswegen werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Runden Tisches gemeinsam Vorschriften, Regelungen und Normen, die zum vermeidbaren Wegwerfen von Lebensmitteln beitragen, überprüfen und gegebenenfalls verändern. Die Lebensmittelsicherheit darf und wird darunter nicht leiden.“

In den Studien wurde auch die Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) untersucht. Das Ergebnis: Das MHD dient nicht mehr nur – wie bei seiner Einführung – der Qualitätssicherung von Lebensmitteln, sondern wird von den Unternehmen als Organisationsinstrument für die Mengensteuerung und als Marketinginstrument verwendet. Zudem werden Lebensmittel ohne Mindesthaltbarkeitsdatum wie Brot, Obst und Gemüse häufiger weggeworfen als Lebensmittel mit Datum.

Prof. Petra Teitscheid, Fachhochschule Münster: „Wir haben in unserer Studie die ganze Wertschöpfungskette unter die Lupe genommen – von der Landwirtschaft bis hin zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Wir haben herausgearbeitet, an welchen Stellen vermeidbare Verluste auftreten und die möglichen Ursachen beschrieben.“ Befragt wurden Experten der Produktgruppen Gemüse, Brot und Backwaren, Milch und Milchprodukte und Fleisch und Wurstwaren. Die Ergebnisse:

Gemüse: Hier sind häufig Produktspezifikationen, Vermarktungsnormen und standardisierte Verpackungen im Handel Gründe für die Entstehung von Lebensmittelverlusten. Bei der Direktvermarktung von Gemüse ist der Verlust dagegen geringer.

Backwaren: Die zentralen Ursachen für Verluste sind hier die kurze Produktfrische bei gleichzeitig geforderter Verfügbarkeit der frischen Waren bis kurz vor Ladenschluss.

Milchprodukte: In der Wertschöpfungskette für Milch und Milchprodukte treten nennenswerte Ursachen meist durch technische Fehler (zum Beispiel Fehlproduktion durch Maschinenschäden) auf. Auf der Handelsstufe ist das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) von Milch und Milchprodukten ein wichtiges Kriterium für den Absatz. Bei zu kurzer MHD-Restlaufzeit werden Waren aussortiert.

Fleisch und Wurstwaren: Die industrialisierte Wertschöpfungskette für Fleisch und Wurstwaren steht unter hohem Zeit- und Kostendruck. Personal und Zeit einzusetzen, um Abfälle zu verringern/vermeiden ist wirtschaftlich nicht darstellbar. Darüber hinaus führen Abweichungen von vorgegebenen Spezifikationen in Bezug auf Qualität, Optik, Textur und Temperatur aufgrund des hohen gesundheitlichen Risikos tierischer Lebensmittel automatisch zu Warenverlusten.

Die Verbraucherzentrale NRW ließ Verbraucherinnen und Verbraucher im Hinblick auf den Umgang mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum befragen. Dabei kam heraus, dass es häufig jüngere Menschen und Personen mit einer Vorliebe für Außer-Haus- und Fertiggerichte sind, die dazu neigen, noch verzehrfähige Lebensmittel in die Mülltonne zu befördern.  „Besonders bemerkenswert ist, dass drei Viertel der Befragten das Mindesthaltbarkeits- und das Verbrauchsdatum korrekt interpretierten. Verbraucher wissen womöglich besser Bescheid, als es in der öffentlichen Diskussion bisher unterstellt wird. Um das Wegwerfen von Lebensmitteln zu reduzieren, sollten Menschen lernen können, mit Lebensmitteln wieder umzugehen. Auch ist die künstliche Vielfalt der Lebensmittelindustrie durch immer neue Produktvarianten kritisch zu hinterfragen, anstatt darauf zu hoffen, dass nur eine Informationskampagne über das Mindesthaltbarkeitsdatum das Problem schon erledigen wird“, erklärte !
Klaus Müller, Vorstand der NRW-Verbraucherzentrale.

Maßnahmen des Runden TischeVertreterinnen und Vertreter von Politik, Lebensmittelwirtschaft, Landwirtschaft, Handel und Verbrauchern und Verbraucherinnen überprüfen gemeinsam die gesetzlichen Vorschriften und die handelsseitigen Normen und Regeln hinsichtlich ihrer Relevanz für Lebensmittelabfälle.

Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Lebensmittelwirtschaft und Verbraucherorganisationen überprüfen das Mindesthaltbarkeitsdatum hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Lebensmittelabfälle. Ziel ist es, die ursprüngliche Funktion des MHD zu verdeutlichen und das Verbrauchsdatum stärker hervorzuheben.

Vertreterinnen und Vertreter der Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft und des Handels verpflichten sich, in einen Dialog einzutreten, um zu einer schnittstellenübergreifenden Kommunikation und Aktion zu kommen. Für die Produktgruppen Obst/Gemüse, Fleisch/Fleischerzeugnisse, Brot/Bachwaren und Milch/Milchprodukte zeigt die Studie deutlich die Schwachstellen auf.

Ziel ist die Aufklärung darüber, aus welchen Gründen an den erkannten Schnittstellen vermeidbare Lebensmittelabfälle anfallen und sodann in der Konsequenz Wege zu beschreiben, wie diese Mengen deutlich reduziert werden können.

Das Verbraucherschutzministerium forciert die Ernährungs- und Verbraucherbildung an Schulen und dabei auch das Thema Wertschätzung von Lebensmitteln. Universität Paderborn und Verbraucherzentrale NRW bereiten dazu Schulmaterial, Unterrichtsvorschläge und Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer vor. Die Stadt Köln wird im Sommer 2012 das Unterrichtsmaterial an ihren Schulen einem Praxistest unterziehen. Die Landfrauen werden ihre wichtige Funktion als Ernährungsbotschafterinnen weiterführen.

Der Kreis Siegen-Wittgenstein wird Modellregion zur Verringerung der vermeidbaren Abfälle durch die Förderung der Direktvermarktung.

„Die Diskussionen am Runden Tisch zeigen, dass die Verschwendung von Lebensmitteln die Menschen berührt – und zwar über alle gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und auch Altersunterschiede hinweg. Alle wissen: Bei Lebensmittel geht es um das Leben selbst und unsere Achtung davor“, sagte Remmel.

Quelle:

Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 21.03.2012

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